Aachen. Wer als Flötist die erste Geige spielen will, braucht Nerven. Und viel Gefühl für Harmonie. Nicht nur das hat er. Der Kommandant der Oecher Penn von 1857 e.V., Jürgen Brammertz (40), der mit zwei Jahren die Penn-Uniform überstreifte und als Siebenjähriger im Spielmannszug seine karnevalistische Karriere anblies, tritt nach zwölf Jahren im Amt von der Spitze des ältesten und größten Karnevalsvereins Aachens zurück.

Am Samstagabend moderiert Brammertz zum letzten Mal die ausverkaufte Penn-Sitzung im Eurogress vor gut 1400 Jecken – jedes Jahr ein besonderes Ereignis. „Die Penn-Familie ist einzigartig. Sie feiert wie verrückt, ist aber trotzdem unheimlich aufmerksam – einfach genial“, strahlt Brammertz.

Deshalb stehen am Samstag drei Redner auf dem Programm. Auch das hat in Aachen Seltenheitswert. Andere Vereine setzen längst vor allem auf Party und Musik. Doch Brammertz hat sich noch eine Überraschung zum Abschied ausgedacht. Warum er geht? „Nach zwölf Jahren hatte ich das Gefühl, es wird Zeit“, sagt er. Denn genau die wird bei Kommandanten schnell knapp. Haufenweise Verpflichtungen, Verabredungen, Veranstaltungen – extern wie intern. Brammertz kommt locker auf 100 Termine pro Jahr.

„Natürlich macht das riesigen Spaß, die Penn ist Leistungssport, ich habe es wirklich geliebt. Aber die Familie – meine Frau Sandra und unsere Kinder Selina (11), Lukas (9) und Jan (4) – mussten doch sehr zurückstecken“, räumt der Kommandant ein. Diese Session noch, dann ist bei der nächsten Mitgliederversammlung Schluss. Dann gibt er die Schulter-Epauletten mit den goldenen Fransen weiter. „Ich werde dann erstmal mindestens ein Jahr durchatmen und mich zurückziehen.

Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, als Aktiver zurück ins Glied zu gehen“, sagt er. Auch das hat absoluten Seltenheitswert. Man nimmt es ihm ab: Bescheiden, bestimmt, bemerkenswert beflissen – das ist Jürgen Brammertz. Er hat mit seiner elfköpfigen Kommandantur, den rund 150 Aktiven und mittlerweile 753 Mann in der närrischen Streitmacht viel bewegt; Mitgliederzahlen verdoppelt, genauso wie das Veranstaltungsprogramm.

Aber die Quantität steht nicht im Vordergrund. „Ich bin kein Typ für Schlendrian, ich freue mich über Qualität“, bekennt er. Und er betont, wie dankbar er den Seinen für die Zeit an der Spitze ist. „Das ist einfach klasse“, sagt er. Genossen hat er vor allem die vielen Reisen mit der Penn, weit über Aachen hinaus.

Sorge macht ihm der Nachwuchs nicht im eigenen extrem florierenden Verein, sondern insgesamt auf den Bühnen im Aachener Karneval bei Rednern und Musikgruppen: „Da passiert wenig“, bedauert er. Und auch der Status der Altweiberfastnacht sei nicht optimal. Zu wenig öffentliches Interesse.

Arbeit für den noch unbenannten Nachfolger bleibt also. Brammertz selbst wird sich endlich ganz anderen Baustellen widmen. „Wandern, mit der Tochter ins Kino, mit den Jungs zum Fußball; ich möchte angeln, Rad fahren und Gitarre lernen“, zählt er auf. Der gelernte Flötist wird weiter die erste Geige spielen, in seiner Familie. Das trifft den Nerv.