Nach elf Jahren als Tanzoffizier der Oecher Penn zieht sich Frank Radermacher von der Bühne zurück und übernimmt die Leitung des Akika
Aachen. „Auf der Penn-Sitzung flossen schon die ersten Tränen – und das waren mit Sicherheit nicht die letzten der Session.“ Frank Radermacher steht kurz vor dem Ende seines elften Jahres als Tanzoffizier der Oecher Penn – und es wird sein letztes sein. Ab dem morgigen Aschermittwoch wird ein anderer an der Seite von Marketenderin Angelina Schneider tanzen. Radermacher muss sein Knie schonen. Bis es soweit war, ließ er sich aber im Rausch des Moments der letzten Auftritte noch zu ein paar abschließenden Tiefschritten hinreißen und manövrierte seine Tanzpartnerin in die eine oder andere Hebefigur.
Ab morgen soll die Gesundheit vorgehen: Seit einem Meniskusanriss vor zwei Jahren versucht Radermacher bereits, von besonders belastenden Bewegungen beim Tanzen abzusehen. Er hat das Volleyballspielen aufgegeben und joggt nicht mehr so häufig. Dem Aachener Karneval bleibt der scheidende Marketender jedoch erhalten: Von seinem Vater übernimmt er die Leitung des Arbeitsausschusses Aachener Kinderkarneval (Akika).
Auch als er selbst noch dieser Zielgruppe entsprach, kam der kleine Frank um den Karneval nicht herum: Mutter Monika, früher als Tanzmariechen aktiv, hatte auch schon Vater Wolfgang mit ins Karnevalstreiben geholt. Und Frank und seine ältere Schwester wurden einst im Bollerwagen auf dem Zug mitgezogen. Einmal ins jecke Treiben hineingewachsen, übernahm Frank Radermacher dann selbst Rollen im Akika: Den ersten offiziellen Auftritt habe er mit fünf oder sechs Jahren gehabt, berichtet er. Nach einer Zeit im Hofstaat des Märchenprinzen wurde ihm selbst mit elf Jahren das oberste Amt im Kinderkarneval zuteil.
Auch als er dem Kinderkarneval entwachsen war, wollte er das närrische Leben nicht mehr missen. „Ich hatte nie das Gefühl, da raus zu wollen oder keine Lust mehr zu haben“, sagt Radermacher. Unter Hubert Cosler landete er im Spielmannszug der Oecher Penn – anfangs ohne ein Instrument spielen zu können. Dank der wöchentlichen Spielmannszugprobe mit dem Tambormajor beherrschte er dann aber bald die Paradetrommel. Mit 18 wurde er aktiver Penn-Soldat.
Nach sieben Jahren als Trommler stand 2007 – in der Jubiläumssession der Penn – eine neue Herausforderung bevor. Die Penn fragte ihn nach dem Ausscheiden von Marketender Peter Müller, ob er als Tanzoffizier nachrücken wolle. „Eigentlich hatte ich vorher in diese Richtung nie etwas gemacht“, sagt Radermacher – dementsprechend überrascht sei er über die Anfrage gewesen. Im wöchentlichen Tanztraining bei Peter Schnitzler in Köln habe er dann immerhin festgestellt: „Eigentlich kann ich nix, aber es macht mir Spaß.“
Das Training, das der Oecher Penn als einziger Aachener Garde zugutekommt, basiert auf einer klassischen Ballettausbildung und bereitet das Marketenderpaar auf die anspruchsvollen Auftritte vor. Während andere Vereine ihre Tänzer mit tanzfreundlicheren Uniformen ausstatten, tanzt das Marketenderpaar der Penn mit echten, schweren Uniformen und den klassischen Reitstiefeln. Auf Dauer ist das Tanzen auch für die Gelenke strapaziös: In seiner Zeit als Tanzoffizier hatte Radermacher bereits Schwierigkeiten mit der Schulter, seit zwei Jahren macht nun das Knie Probleme. Die Ärzte stellten einen Meniskusanriss fest, rieten aber von einer Operation ab.
Die aktuelle und Radermachers letzte Session ist seine elfte als Marketender. „Ich möchte nicht immer weiter nachlassen, sondern mir und dem Verein eine schöne Abschiedssession bescheren“, sagt er. Und wann ginge das besser als anlässlich des jecken elften Jahrestags? „Ein Drittel meines Lebens habe ich dann getanzt“, sagt Radermacher und lässt durchblicken, dass ihm der Verzicht auf die Auftritte mit der Oecher Penn nicht leichtfallen wird. Nach wie vor habe er auch in der elften Session vor jedem Auftritt noch ein wenig Lampenfieber.
50 Auftritte bis Aschermittwoch
Wenn Radermacher nicht die eigenen Beine oder seine Tanzpartnerin in die Luft wirft, unterrichtet er Biologie und Chemie am Kaiser-Karls-Gymnasium. In diesem Jahr ist die Session sehr kurz, der Auftrittsplan daher sehr kompakt – rund 50 Auftritte bis Aschermittwoch. Am Wochenende ist die Garde mitunter 13 Stunden lang unterwegs. Zwei Wochen vor Fettdonnerstag kommen zum straffen Wochenendprogramm mehrere Veranstaltungen unter der Woche hinzu. „Da muss man dann noch effizienter arbeiten als im Rest des Schuljahres“, sagt Radermacher. Mit seiner Lehrtätigkeit habe er sein Offiziersdasein aber immer gut vereinbaren können.
Und was sagen seine Schüler, wenn sie von seiner Zweitrolle als Marketender in Offiziersuniform erfahren? „Das dauert keine Woche, dann haben die das raus“, sagt er lachend. „Ich gehe damit aber ganz offensiv um.“ Wenn er vom Unterricht direkt zu einem Auftritt muss, zieht er sich auch schon mal in der Schule um. „Es gibt aber meiner Meinung nach auch keinen Grund, das zu verheimlichen.“ Es sei wichtig, Kinder möglichst früh ins Brauchtum einzubeziehen, ihnen zu zeigen, dass Brauchtumspflege im Verein nichts mit „hoch die Tassen“ zu tun habe.
Das Brauchtum gerade in schnelllebigen Zeiten als einen Eckpunkt der Gesellschaft zu erhalten, dem verschreibt sich Radermacher auch im Rahmen seiner neuen karnevalistischen Aufgabe. Seine Präsenz im Karneval wird sich als Leiter des Akika von der Bühne etwas mehr in den Hintergrund verlagern. Die Nachwuchssituation im Kinderkarneval sei zwar gut, sagt Radermacher, dennoch müsse man schauen, wie man die Begeisterung am Leben erhält. „Nur durch die Kinder kann der Karneval fortbestehen“, sagt er. Wichtig sei hierfür auch, den Schulen die Beteiligung am Karneval zu erleichtern. Sein Beruf ermöglicht es ihm, Konflikte, zum Beispiel zwischen schulischen Terminen und einer aktiven Teilnahme am Kinderzug, zu erkennen und zu vermeiden.
Die zahllosen leuchtenden Kinderaugen, die Radermacher jedes Jahr im Karneval sieht, geben ihm schon jetzt Bestätigung in seinem künftigen Engagement: „Wenn alles bunt ist und Ausnahmezustand vom düsteren Winter herrscht, ist das für Kinder schon etwas Besonderes.“
Neben der Gelegenheit, die Obrigkeiten aufs Korn zu nehmen, ginge es eben auch darum, dem tristen und grauen Winter eine schöne und beschwingte Seite zu geben, eine Gelegenheit, aus dem Normalen auszubrechen.