Oecher Penn trumpft mit drei Rednern und magischen Momenten zum Abschied von Jürgen Brammertz auf. So viele Tränen . . .
Aachen. So viele Tränen sieht man selten. Schon gar nicht im Karneval. Was sich da weit nach Mitternacht im Scheinwerferkegel auf der Bühne im sonst sanft abgedunkelten Eurogress vor über 1400 Jecken bei der Penn-Sitzung abspielt, dürfte sich so schnell nicht wiederholen. Jürgen Brammertz, Kommandant der Oecher Penn von 1857, Aachens größtem und ältestem Karnevalsverein, nimmt nach zwölf Jahren im Amt seinen Hut.
Und nicht nur den. Aus den Lautsprechern im Saal singt Udo Jürgens „Ein Narr sagt Dankeschön“. Ganz langsam. Mehr Gefühl geht nicht. Brammertz streift stumm die blau-rote Uniform-Jacke mit Epauletten und goldenen Fransen ab, legt die prächtige Kommandantenkette beiseite – und schlüpft ins blasse Weißzeug eines Rekruten. Er schnappt sich eine Querflöte, tritt zurück ins Glied. Nicht nur symbolisch, selbstlos. Der Saal steht, noch mehr Tränen fließen, tosender Applaus, Standing Ovations für den 40-jährigen Familienvater. Die Penn-Familie dankt; und die zu Hause freut sich auf den „Heimkehrer“. Einen riesigen Blumenstrauß reicht Jürgen Brammertz seiner Ehefrau Sandra. Ein langer Kuss, innige Umarmung, sie liegt ihm weinend in den Armen. Dann tragen ihn seine Soldaten auf einer Sänfte durch den Saal hinaus. Und zurück bleiben Jecke, die begreifen, dass da ein ganz Großer nicht nur als Moderator Platz für die nächste Generation macht. „Es gibt nur einen Jürgen Brammertz!“, skandieren hunderte Narren immer wieder. Magische Momente.
In dem gut viereinhalbstündigen Programm am Samstagabend dreht sich vieles um den, der zwar voller Begeisterung als Kommandant in der ersten Reihe stand – aber sich nie in den Mittelpunkt drängte. Ein Kunststück. Was Uwe Brandt von den 4 Amigos, die Brammertz zu Oberfähnrichen beförderte, auf den Punkt bringt. „Glaubt mir, wir haben schon viele Präsidenten und Kommandanten kennengelernt. Und da sind manchmal schon Flitzpiepen drunter; aber hier bei dir und der Penn sind wir unter Freunden, das ist besonders“, sagt er. Das Publikum jubelt. Und singt die sagenhaften Amigo-Hits noch lauter mit, als sonst ohnehin schon. Originale-Frontmann „Bärchen“ Michael Cosler, selbst Penn-Soldat, nimmt seinen „Chef“ in den Arm, knetet ihm eine Pudelmütze übers Haupt und sorgt mit der Ballade „E Jölden Hazz“ für einen weiteren gefühlvollen Höhepunkt.
Prinz Mike I. und sein Hofstaat präsentieren ihre Sessionshits wie „Öcher Style“ teils inmitten der Tischreihen vor der Bühne. Alle toben. Prinzengarde-Kommandant Dirk Trampen betont die während Brammertz‘ Amtszeit gewachsene Freundschaft der Garden. Extra-Applaus. Die Penn-Show entführt unter dem Motto „Freunde rund um den Globus“ singend, tanzend und in atemberaubend bunter Kostümierung unter anderem ins Pariser Lido und zu Moskauer Kosaken. Die Eschweiler Scharwache 1882 e.V. marschiert zu Ehren der Penn prächtig auf, und das Tanzkorps Blaue Jungs (KG Lövenicher Neustädter) verblüfft mit über 30 Tänzerinnen und Tänzern, die spektakuläre Flugnummern im Programm haben. Apropos: Penn-Vize Georg Cosler (der Brammertz nach der Session beerben könnte) hat den Sitzungsablauf traditionell mit drei Rednern bestückt. Eine absolute Seltenheit im Öcher Fastelovvend 2018. Weil das Penn-Publikum – übrigens wie jedes Jahr in schmucker Abendgarderobe statt im jecken Kostüm – den Verbal-Akrobaten im Rampenlicht gebührend Aufmerksamkeit schenkt, können alle punkten. Klasse!
H.J. Pinter („Lustiger Rheinländer“) gibt mit 75 Jahren gewohnt den Grandseigneur des gepflegten Herrenwitzes. TV-Comedian Knacki Deuser, Erfinder von „Nightwash“, glänzt als kölscher Rollschuhfahrer steppend auf dem Tisch – und der Amerikaner John Doyle liefert lässig geistreiche Skurrilitäten im deutsch-amerikanischen Verhältnis ab. Jede Pointe sitzt. Es wird so viel und schnell gelacht, dass der Tusch kaum hinterherkommt. Erwähnenswert, dass die Sitzungskapelle „Heinz Hilgers Combo“ sogar die Tanznummern live begleitet. Was auch den nach elf Jahren scheidenden Penn-Tanzoffizier Frank Radermacher sichtlich rührt. Kein Wunder, dass weitere Tränen fließen.
Aus purer Fastelovvends-Freude, aus ehrlicher Erleichterung, aus wahrer emotionaler Verbundenheit. So viel Karneval wie bei der Oecher Penn ist selten.